Von Wasser, Wind, Wolken und Schafen
Touren-Quickie
16 Km
1.100 Hm
5h
Startpunkt:
59.706669, 8.337843
Highlights
keine Menschenseele unterwegs
ungefährlich (mit GPS Track und einem
Mindestmaß an Orientierungssinn)
Schafe
Aussicht
Lowlights
Sumpf
Gestrüpp (Aua! Oder lange Hose)
keine Markierung o. gar kein Weg
…noch mehr Sumpf
Es ist halb 6 Uhr in der früh als der Wecker klingelt. Ich ziehe meinen imgainären Hut vor meinem Freund Malte, der aus dem Bett in die Badehose fällt und in den doch eher frischen See springt, der an das Haus grenzt. Mir reicht meine kurze Hose völlig aus an morgendlicher Überwindung.
Wir meditieren, brühen noch schnell Instant-Kaffee in der Thermoskanne auf und brechen auf in Richtung des kleinen Ortes Sudbø (oder eher Ansammlung einer Handvoll Häuschen) nordwestlich von hier. Nach knapp über einer Stunde großartiger Naturkulisse und diversen Forst- und Schotterwegen (natürlich musste uns an der schmalsten Stelle ein Linienbus entgegenkommen.. Was macht ein Linienbus im Wald?!), die hier in Norwegen anscheinend zum bundesweit akzeptierten Straßen-Standard gehören, parken wir mehr oder weniger legal hinter einer kleinen Brücke am Ortseingang. Wohlgemerkt nachdem wir einmal duch den Ort durchgefahren sind, um uns die nervige Forststraße zu sparen. Wegen eines kryptischen Parkverbotsschildes entscheiden wir uns allerdings dagegen, obwohl das Risiko, dass hier jemand Knöllchen verteilt doch eher gering erscheint. Wir sind hier schließlich nicht in Deutschland.
Die gefürchtete Forststaße ist nicht so lang wie befürchtet und schon bald biegen wir auf einen kleinen Waldpfad ab und… versinken beinahe knöcheltief im Schlamm. Hier ist festes Schuhwerk auf jeden Fall von Nutzen, denn in etwa so bleibt der Weg für die nächsten Kilometer. Das einzige, was sich ändert, ist die Qualität des Schlammes von dickflüssig zäh, zu krümelig weich und dünnflüssig tief. „Wollen wir wetten, wer zuerst nasse Füße hat?“, rufe ich Malte vor mir zu. Haha.
Als wir aus dem Wald hinaustreten, breitet sich vor uns ein weitläufiges Hochplateau aus, das überwuchert ist von dichten Heidesträuchern, durchbrochen von rotbraunen Moorflecken. Leider sind wir vorhin wohl falsch abgebogen, denn der Pfad verliert sich und wir müssen uns auf den GPS-Track und unsere Sicht verlassen. Immer wieder blöken uns Schafe vorwurfsvoll an, die nicht verstehen, wie zwei so tollpatschige Wesen sich in ihr Revier verirren können.
Wenn wir gerade nicht im Matsch versinken, kämpfen wir uns durch widerborstiges Gestrüpp, das es vermutlich mit sämtlichen Wettern hier oben aufnehmen kann, aber allemal mit der dünnen Haut meiner Unterschenkel. Aua.
Auf einer kleinen Hügelkuppe angekommen, haben wir endlich wieder den richtigen Weg gefunden und blicken hinab in eine kleine Senke, in die sich zwei kleine Hütten schmiegen. Dahinter erhebt sich wie ein sanfter Riese das Brattefjell bis in die Wolken. Wir steigen in die Senke hinab und es wird wieder sumpfiger. Freundlicherweise liegen hin und wieder weiße Holzplanken über den matschigsten Stellen, welche allerdings mit Vorsicht zu genießen sind. Es haut uns beide fast hin, so rutschig sind sie.
Nun geht es an das letzte steile Stück und prompt verlieren wir wieder den Weg in dem unwegsamen Gelände. Angestrengt starren wir jeder auf sein Handy in der Hoffnung, den richtigen Track wiederzufinden.
„Wir müssen rechts.“, sage ich.
„Nein, links.“, widerspricht Malte.
Das wiederholen wir jeder ungefähr noch fünf Mal, bis mir der Kragen platzt.
„Dann ist es für dich halt links und für mich rechts, solange wir ungefähr da lang gehen.“, beende ich die völlig sinnlose Links-oder-Rechts-Debatte und mache eine vage Armbewegung geradeaus. Letztendlich ist es sowieso einerlei, denn weiter als 20 Meter lässt sich nichts erkennen außer dichten Wolkenschwaden. Ich befürchte schon, wir laufen am Gipfel vorbei, aber nach weiteren 300 Höhenmetern Gerutschte und Gekraxel erreichen wir eine breite Felskuppe, auf der ein unübersehbares Steinmännchen trohnt. Ein schnelles Gipfelfoto, auf dem sich außer meiner zerausten Wenigkeit und dem etwas mitgenommenen Steinmännchen nicht viel erkennen lässt. Dann suchen wir uns ein windgeschütztes Fleckchen und genießen die wohlverdiente Gipelzimtschnecke. Es ist immer faszinierend, wie viel besser alles am Berg schmeckt.
Die Gipfeleuphorie wird allerdings schnell von einer Gänsehaut abgelöst und da uns Aussicht heute eh nicht vergönnt ist, begen wir uns an den Abstieg. Dieser verläuft ähnlich unkoordiniert wie der Aufstieg. Einfach irgendwie runter, lautet die Devise. Da es keine steilen Abbruchkanten oder ausgesetzte Stellen gibt, ist eine exakte Route kein unbedingtes Muss, solange die grobe Richtungs stimmt.
Irgendwann bleibt Malte vor mir stehen. Der Himmel ist aufgerissen und zeigt vereinzelt Blau. Die Sonne wirft blassgoldene Strahlen auf die weite Ebene vor uns. Wir schauen. Staunen. Es hat etwas ungaublich beruhigendes, das Auge so auf Wanderschaft gehen zu lassen. Ich atme tief durch und verschließe den Marmeladenglas-Moment in meinem Herzen.
Der restliche Rückweg verläuft ohne Zwischenfälle, da wir die nassesten Stellen nun kennen und umgehen können. Dies kommt uns zugute, denn in der gegenüberliegenden Felswand brauen sich dunkle Wolken zusammen. Tatsächlich setzt auf dem letzten Kilometer ein leichter Regen ein. Trotzdem schaffen wir es noch mehr oder weniger trocken zum Auto. Perfektes Timing würde ich sagen.
Fazit: Eine tolle unbekannte Tour, wenn man etwas enstpannte Einsamkeit mit einer Prise Abenteuer sucht.
Verpflegung, Snacks & co.:
Frühstück: Overnight Oats (Obst, Nüsse, Erdnussbutter!)
Snacks: Getrocknete Mangos, Gipfelzimtschnecke, Snickers, Schoki
2 Comments
Sehr toller Beitrag!
Ich bin mir sicher, dass dein Freund bei der Links-Rechts-Debatte recht hatte (klang für mich zumindest plausibel).
Weiter so 🙂
Großartige Tour – aber ich wünsche Dir, daß Du bald am Morgen auch noch in den See springst 😉
MB