Steil, Steinig, Stabile Sicht
Touren-Quickie
32Km
1400HM
5h (Laufzeit: 4:40)
Startpunkt: 59.317118, 8.479703
Aussicht: 7,5/10
Laufbarkeit: 7/10
Schwierigkeit (Terrain)*: 6/10
Higlights
- abwechslungsreich (Wald, Felsen, Sumpf…)
- Aussicht
- gut markiert
- höchster Gipfel im Umkreis
Lowlights
- Straße (lässt sich natürlich auch mit dem Auto fahren… aber wer das Training will, läuft!)
- nur ein Weg zum Gipfel
Tatsächlich begrüßt Malte und mich heute morgen die Sonne, lockt mit ihren frühmorgendlichen Strahlen, vor die Tür zu gehen und ein neues Abenteuer zu erleben.
Unser heutiges Ziel ist das Hægefjell, mit 1021 Metern der höchste Berg, den man von unserem Ferienhaus fußläufig erreichen kann. Trotzdem sind über 30 Kilometer geplant und so laufen wir nach einem warmen Porridge (bestes Läuferfrühstück meiner Meinung nach) gemächlich los, auch wenn die ersten sieben Kilometer flach verlaufen. Bloß nicht überpacen, lautet die Devise. Malte kommentiert belustigt meinen schlurfenden Laufstil:
„Du läufst schon wie so ein Ultraläufer nach 100 Kilometern.“
Wenigstens ist mein Laufstil am Ende immer noch derselbe, während sich seiner über den Lauf hinweg immer mehr dem meinen angleicht.
Weil ich für mein Training heute 32 Kilometer absolvieren möchte, laufen wir einen kleinen Extraschlenker durch ein Waldstück, das mit seinem lichten Grün auch aus einem Märchenfilm stammen könnte. Die ersten Kilometer fließen dahin und langsam erfüllt mich dieser tiefe Frieden, den ich immer verspüre, wenn mein Geist sich in der angenehmen Anstrengung zurechtgefunden hat, die für die nächsten Stunden der ständige Begleiter sein wird. Das Loslaufen, die ersten Schritte, sind tatsächlich der Teil, der mir immer noch am schwierigsten fällt. Der Lauf oder die Wanderung wirkt dann überwältigend, unüberwindbar und ich muss aktiv den kleinen zweifelnden Teufel auf meiner Schulter zur Ruhe bringen, der flüstert: „So weit willst du laufen? Dafür bist du viel zu schwach, bleib lieber auf dem Sofa, da kann dir nichts passieren.“ Die Erfahrung hat mich allerdings gelehrt, dass der Teufel mit jedem gelaufenen Schritt leiser wird und stattdessen von einem kleinen begeisterten Engel abgelöst wird, der die Natur verehrt und sich der Bewegung erfreut.
Es dauert allerdings nicht lange und der erste Brocken erwartet uns in Form einer 5 Kilometer langen Forststraße, auf der ca. 500 Höhenmeter am Stück zu bewältigen sind. Sie zieht sich durch ein fast ausgestorbenes Skidorf und scheint nicht enden zu wollen. Ich ertappe mich bei Gedanken wie Wie wäre es, wenn die Straße zehn Kilometer und 1500 Höhenmeter hätte. Mein Puls schießt gleich nochmal zehn Schläge in die Höhe. Ich sollte solche sadistischen Vorstellungen lieber lassen.
Endlich hat die leidige Straße ein Ende und vor uns wartet die verdiente Aussicht auf den Gipfel, das Hægefjell, das heute unser höchster Punkt sein wird. Dazwischen breitet sich eine für Norwegen so typische, felsige Hochebene aus.
Schnell füllen wir unsere Flasche an einem See. Dann geht es weiter in einem Wechsel aus Laufen, Kraxeln und Gehen. Der „Weg“ windet sich über einen Hügel und führt dann über große Felsenplatten hinab in eine sanfte Senke, vorbei an kleinen Tümpeln und glitzernden Seen in derselben Farbe des Himmels. Hin und wieder lässt sich ein Trampelpfad ausmachen, dann wieder ist die einzige Wegmarkierung ein roter oder blauer Punkt oder Steinmännchen. Es geht noch einmal auf einen kleinen Hügel, der letzte vor dem finalen Gipfelanstieg und wir überholen zwei Familien mit mehr oder weniger motiviert aussehenden Kindern. Wir grüßen lässig, zwei motivierte, sportliche, junge Trailrunner auf dem Weg zum Gipfel (Haha, die sollten mal meine Pulsanzeige sehen), aber es fällt mir hier tatsächlich nicht schwer, bei diesem Wetter und der unvergesslichen Aussicht motiviert zu bleiben.
Wir erreichen das letzte steile Stück und wir klappen unsere Stöcke aus, eigentlich hauptsächlich um später behaupten zu können, wir hätten sie nicht unnötigerweise mitgeschleppt. Der Gipfel zieht sich über einen breiten Felsrücken, aber schließlich sind wir oben. Unübersehbar markiert ein mannshoher Steinhaufen den höchsten Punkt. In diesem Moment bin ich einfach nur glücklich, hier zu sein, das Leben so unverfälscht zu spüren, weil sich Schmerz und Freude und Faszination gerade den Platz in meinem Herzen teilen.
Wir machen kurz Rast, genießen den Ausblick, einen piksüßen Riegel, getrocknete Mangos und Datteln. Nach den ganzen Gels eine willkommene Abwechslung.
Schon geht es wieder hinunter, weil der kalt wehende Wind lange Pausen ungemütlich macht. Norwegen enttäuscht uns auch bei dieser Tour nicht und wir verlieren prompt den Weg. Oder der Weg verliert uns, das lässt sich hier nicht so genau feststellen. Mangels Alternativen kämpfen wir uns durch dichte Büsche und Gestrüpp bis wir den kleinen Pfad wiederfinden, den wir bereits emporgeklettert sind.
Der restliche Weg bis zu dem kleinen Skidorf ist derselbe. Wie in auf einer sanften Zugfahrt gleiten Felsen, Seen und zarte Bäume, die sich mit einer erstaunlichen Kraft an die kargen Felsen klammern vorüber. Viel zu schnell erreichen wir erste Anzeichen der Zivilisation. Der Abstieg durch das Skigebiet ist holprig, da die Pisten im Sommer schottrig und voller Geröll sind. Jetzt ist noch einmal Konzentration gefragt, die Beine singen stumme Klagelieder, aber es bleibt ihnen keine Wahl, jeder Schritt muss präzise gesetzt werden. Die Endorphine betäuben den Schmerz und nach knapp fünf Stunden kommen wir wieder auf der kleinen Insel mit unserem Ferienhaus an. Dreckig, erschöpft, aber vor allem glücklich und erfüllt von Sonne, Wind und Berg fallen wir uns in die Arme.
Fazit: Überwiegend laufbare Tour auf einen 1000er Norwegens mit toller Aussicht auf die Seen Vråvatn und Nisser sowie den gegenüberliegenden Berg Roholtfjell (1.017m).
Verpflegung, Snacks & Co.:
Frühstück: Porridge mit Blaubeeren, Walnüssen, Leinsamen, Erdnussbutter
Snacks: 3 Gels, 2 Datteln, getrockene Mango, 1 Energieriegel
danach: Proteinshake (Banane, Blaubeeren, Trinkjoghurt (scheinbar sehr beliebt hier), Proteinpulver
*Einschätzungen beruhen auf meiner subjektiven Wahrnehmung, NICHT auf offiziellen Schwierigkeitsskalen
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