Zauberhaft, Zapfig, Zugig.
Touren-Quickie
13,50 Km
1.100 Hm
5,5 h
Startpunkt Wanderung: 47.509845, 10.060411
Aussicht: 9/10
Wegmarkierung: 7/10 (Winter)
Schwierigkeit: 4/10*
Highlights
- höchster Berg der Nagelfluhkette
- außerhalb der Saison kostenloses Parken möglich (zumindest war bei uns die Schranke offen)
- schöner Gipfel mit Rastmöglichkeiten
- Tour bei ausreichendem Schnee auch als Skitour möglich
Lowlights
- wegen Beliebtheit bei gutem Wetter ziemlich voll (daher außerhalb der Saison besser, da dann die Bahn nicht fährt)
- Weg über Brunnenauscharte leider gesperrt
Der Blick aus dem Fenster um 8:00 Uhr morgens verspricht noch nicht so viel Gutes. Dichte Nebelschwaden hängen träge zwischen regenschweren Baumkronen; von der vorhergesagten Sonne ist noch keine Spur. Zusammen mit Ulla und Tim, zwei guten Freunden von uns, wollen Malte und ich heute auf den Hochgrat, den höchsten und mitunter beliebtesten Berg der Nagelfluhkette. Nach zwanzig Minuten Gerutsche auf der eher schlecht als recht geräumten Straße erreichen wir den Parkplatz an der Hochgratbahn, die allerdings erst in einer Woche zum Saisonstart öffnet. Dies ist vermutlich auch der Grund, warum der Parkplatz bis auf ein paar vereinzelte Autos völlig leer ist. Einige kreisförmige Reifenspuren lassen allerdings vermuten, dass der ein oder andere hier absichtlich mit dem Gaspedal gespielt hat. Wir packen unsere Sachen zusammen und die zehn Minuten ohne Handschuhe reichen völlig aus, um meine Finger steif frieren zu lassen. Endlich stapfen wir los in Richtung Brunnenaualpe, über die der östliche Aufstieg zum Hochgrat verläuft. Nach ein paar Metern durchkreuzt ein auffälliges Warnschild unsere Routenplanung. Anscheinend ist der Weg über die Brunnenauscharte wegen einer Mure teils verschüttet und in dem Zuge vereist. Da unsere Devise heute „entspannt“ lautet, wir für eine Wintertour eher spät dran sind und wir unser Glück nicht auf die Probe stellen wollen, entscheiden wir uns über den sicheren Aufstieg über den Normalweg. Über verschneite Forstwege geht es nun bergauf. Neben uns sind auch einige andere Schneeschuhwanderer und sogar Skitourengeher unterwegs, die ihren Skiern bei der mickrigen Schneehöhe allerdings keinen Gefallen tun. Zwei Jungs in Jeans schleppen sogar ein Snowboard an uns vorbei und ich hinterfrage die Angemessenheit von Jeans bei den Temperaturen. Ich fröstle schon mit einer langen Unterhose. Aber jedem das Seine.
Inzwischen ist der Himmel über uns blau und es kommt zu einem faszinierenden Phänomen am Himmel, dass uns alle staunen lässt. Durch nach oben gestiegene Nebelschwaden hindurch malen die Strahlen der Sonne mehrere halbkreisförmige Regenbögen an den Himmel, die den Berg wie einen Heiligenschein bekränzen. Wir können uns kaum satt sehen an diesem wundersamen Naturschauspiel und vergessen glatt unsere Schneeschuhe anzuziehen, durch die der Aufstieg durch den tiefer werdenden Schnee deutlich vereinfacht wird. Ulla, die lediglich Grödel mit kleinen Zacken an den Schuhen hat, kämpft sich tapfer vorwärts. In den sonnigen Abschnitten wird es ziemlich warm und wir geraten ordentlich ins Schwitzen. Nach gut 850 Höhenmetern erreichen wir die Berggaststätte und Station der Hochgratbahn und entscheiden uns den schwierigeren aber aussichtsreicheren Gipfelanstieg über den Grat zu nehmen. Der Schnee wird tiefer und der Pfad schmaler, sodass wir mit unseren wenig präzisen Schneeschuhen gucken müssen, wo wir hintreten.
Die Aussicht ist berauschend. Mir schießen die Tränen in die Augen, weil es mir schwerfällt, so viel Schönheit auf einmal in mir aufzunehmen. Dank des Kaiserwetters erstreckt sich um uns her ein atemberaubender Rundumblick auf die umliegenden Berge. Wir entdecken das markante Plateau des Hohen Ifens und das beliebte Nebelhorn. Das schneeweiße Gipfelkreuz begrüßt uns im gleißenden Licht. Neben einem Skitourengeher haben wir den Gipfel sogar kurz für uns. Während die anderen aus dem Knipsen gar nicht mehr herauskommen (wofür ich ihnen sehr dankbar bin, da sie ein besseres Händchen für coole Fotos haben, wo ich eher Worte für finde; vielen Dank an dieser Stelle, dass ich eure tollen Fotos hier nutzen darf), versuche ich diesen Moment ganz tief in meinem Herzen festzuhalten, damit ich mich auch in 70 Jahren noch an ihn erinnern kann.
Wir stärken uns mit Tee, Laugenbrötchen und einhornförmigen Gummibärchen. Und dann ist es vorbei mit dem ruhigen Gipfelglück. Eine lautstarke Gruppe junger Männer, die als aller erstes ihr Bier auspackt, macht sich neben uns breit. „Naja, immerhin müssen sie auch den Anstieg bis hier hoch geschafft haben.“, denke ich bei mir. Aber es kommt noch besser. Der eine macht tatsächlich Anstalten, sich bei -5°C seiner Kleidung zu entledigen. Wir schnappen auf, dass er im Begriff ist, einen nackten Schneeengel zu machen und ich frage mich, welche Wette er wohl verloren hat.
„Für 100€ würde ich das auch machen.“, meine ich feixend.
„Die junge Dame hier würde sich für 100€ danebenlegen!“, schreit Tim zu den Jungs hinüber. Na vielen Dank auch.
„Jaaa, komm rüber! 100€ kriegen wir locker zusammen!“, schallt es zurück.
Unter meiner Sonnenbrille werde ich leuchtend rot. Wieso kann ich manchmal meinen Mund einfach nicht halten? Mein toller Freund steht nur grinsend daneben. Schnell bewege ich die anderen zum Abstieg. Inzwischen ist es nämlich trotz Sonne ganz schön kalt geworden und die Vorstellung eines nackten Schneeengels ist nicht gerade verlockend. Auch wenn es mir um die 100€ leid tut.
Weil das Wetter zu herrlich ist, steigen wir nicht direkt ab, sondern entscheiden uns, noch einen Schlenker über den Seelenkopf, einen Gipfel weiter westlich auf der Nagelfluhkette, mitzunehmen. Der Weg zweigt vom ausgetretenen Normalweg ab und eine unberührte Schneedecke zeugt davon, dass wir heute die ersten in dieser Richtung sind. Es hat immer einen besonderen Reiz, einen Weg zu gehen, den heute vor einem noch niemand gegangen ist. Der Pfad windet sich durch ein paar verstreute Nadelbäume, während die Sonne die Welt um uns in ein goldenes Licht taucht. Die Szenerie ist unwirklich. Wäre sie eine Postkarte, könnte man sie als kitschig bezeichnen. Auf einer kurzen Metallstiege mühen wir uns mit unseren sperrigen Schneeschuhen ab, aber kurze Zeit später stehen wir auf dem Seelenkopf. Ein einsamer Skitourengeher sitzt dort sein Gesicht in die Abendsonne haltend und genießt seine Jause. Wir genehmigen uns ebenfalls noch ein paar Gummibärchen in Zauberwesen-Form und zögern den Abstieg absichtlich heraus. Im schattigen Tal hängen immer noch die Wolken von heute morgen und machen keinen sehr einladenden Eindruck.
Schließlich reißen wir uns los und stapfen durch knietiefen Schnee den Berg hinab. Immer wieder rutscht ein Fuß weg oder bricht ein, wodurch der Abstieg fast so anstrengend wird wie der Aufstieg. Todesmutig ignorieren wir eine heruntergekommene Absperrung, die Lebensgefahr wegen Forstarbeiten verkündigt. Kurz darauf müssen wir uns durch verschneite Baumriesen kämpfen, die quer über den Weg liegen. Die sind zwar nicht lebensgefährlich, aber doch sehr mühsam zu umgehen.
Wir plaudern über das Lieblingsthema unter Wanderern: Das Abendessen. Die Meinungen schwanken zwischen Pizza und Nudeln oder Pizza mit Nudeln. Wir kommen an einem riesigen, gelben Bagger vorbei, der hier im Wald völlig fehl am Platz wirkt, über den Tim und Malte sich aber wie zwei kleine Jungs freuen. Der Weg knickt auf einen schmalen Waldpfad ab, der steil talwärts führt. Am Wegesrand steht eine rostende, angeschlagene Badewanne oder Viehtränke, die Malte als ersteres interpretiert und sich prompt hineinlegt. Sauberer wird er dadurch hingegen nicht.
Nach kurzer Zeit treffen wir wieder auf den breiteren Normalweg, den wir heute Vormittag bereits hochgelaufen sind. Mittlerweile ist der Trinkschlauch von Ullas Trinkblase, der bei den Minusgraden heute morgen zugefroren war, aufgetaut. Malte fantasiert, dass so ein Trail-Rucksack mit Trinkblase das perfekte Tool fürs Feiern wäre, wenn man sie anstatt mit Wasser mit Bier füllen würde. Ich glaube, es wird Zeit, dass wir ankommen.
Und das tun wir nach weiteren zwanzig Minuten Abstieg im rötlichen Abendlicht auch. Der Parkplatz liegt genauso still dort wie heute morgen. Müde aber in tiefer Zufriedenheit beenden wir die heutige Genusstour, ohne nackten Schneeengel, dafür mit ganz viel Sonne im Herzen.
Verpflegung, Snacks und co.:
Frühstück: Porridge mit Mandelmilch, veganem Proteinpulver, Erdnussbutter und Datteln
Snacks: Laugenbrötchen mit Käse, Gummibärchen, Studentenfutter
Danach: Nudeln mit Pilz-Hackpfanne und Salat
*Einschätzungen beruhen auf meiner subjektiven Wahrnehmung, NICHT
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